SNB Nachhaltigkeitsbericht 2023: Analyse und Empfehlungen
Unsere Nationalbank SNB hat im Rahmen der Publikation ihres Geschäftsberichts 2023 auch ihren aktuellen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. In diesem setzt sie sich erstmals mit Klimabelangen auseinander. Die Klima-Allianz begrüsst diesen Schritt, musste jedoch bei der Analyse des Berichts feststellen, dass die SNB ihre finanzierten Emissionen durch das Weglassen von Scope 3 Emissionen um den Faktor 4 zu tief ausweist.
In ihrem Nachhaltigkeitsbericht stellt die SNB fest, dass die Auswirkungen des Klimawandels weitreichende Folgen für die Volkswirtschaft und die Finanzmärkte haben können. Eine Auseinandersetzung damit ist für eine Nationalbank dringend, da es ohne stabiles Klima und gesunde Natur keine Finanzstabilität mehr geben wird1. Dass sich inzwischen eine departementsübergreifende Steuergruppe “Klimawandel” mit dem Thema befasst, ist dementsprechend ein wichtiger und begrüssenwerter Schritt. Jedoch verpasst es die SNB, eine öffentlich nachvollziehbare Klimastrategie mit Klima- und Umweltzielen zu definieren. Stattdessen wird argumentiert, dass die SNB von der gesetzlich neu vorgeschriebenen Zielsetzung zu Klimabelangen ausgeschlossen sei, da sich die Zielsetzung in Bezug auf geldpolitische Aufgaben abschliessend aus dem Nationalbankgesetz ergebe. Daher bezieht sich auch der erstmals beschriebene Transitionsplan in Richtung Netto-Null bis 2050 ausschliesslich auf die eigenen betrieblichen Emissionen2. Andere Zentralbanken sowie das Network for Greening the Financial System (NGFS)3 argumentieren hingegen, dass die Zielsetzung einer Zentralbank (bzgl. Preis- und Finanzstabilität) vom Klimawandel und Biodiversitätsverlust gefährdet ist4.
Ein Netto-Null Ziel bis 2050 und ein Transitionsplan lediglich für die betriebsinternen Emissionen sind schlicht unzureichend. Es fehlen weiterhin Massnahmen in den Bereichen, wo es wirklich zählt5. Damit agiert die SNB nicht nur unvorbildlich gegenüber anderen Schweizer Finanzinstituten, sondern gefährdet auch die langfristige Preis- und Finanzstabilität der Schweiz. Es ist begrüssenswert, wenn die Mitarbeiter der SNB mit dem Bus oder dem Fahrrad pendeln. Das Hauptanliegen einer Zentralbank sollte sich jedoch um die Frage drehen, wie mit den verschiedenen geldpolitischen Instrumenten der Übergang zu einer umweltschonenden Wirtschaft und damit zusammenhängendem Finanzsystem gewährleistet werden kann. Denn nur so kann der Erhalt der Preis- und Finanzstabilität langfristig sichergestellt werden. In anderen Worten: Unsere Nationalbank muss aufzeigen können, wie sie ein zukunftsfähiges Finanzsystem unter Berücksichtigung der zunehmenden Klima- und Biodiversitätsrisiken gestalten wird und damit den Erhalt von Preis und Finanzstabilität gewährleisten kann6.
Viel Luft nach oben für Offenlegung von Treibhausgasemissionen und Risiko Management im Anlageportfolio
Die Devisenreserven im Anlageportfolio der SNB sind ein wichtiges geldpolitisches Instrument für die SNB, um die Preisstabilität zu gewährleisten. Gleichzeitig wird damit sichergestellt, dass die SNB mit genügend Liquidität ausgestattet ist, um über einen ausreichenden geldpolitischen Handlungsspielraum zu verfügen. Die Devisenreserven umfassen rund 90% der gesamten Währungsreserven der SNB und setzen sich vorwiegend aus Anleihen (75%) und Aktien (25%) zusammen. Ende 2023 betrugen sie 655 Mrd. Franken.
Offenlegung von Treibhausgasemissionen
Die SNB thematisiert erstmals den im Berichtsjahr erarbeiteten Transitionsplan, mit dem aufgezeigt wird, wie betriebsinterne Treibhausgasemissionen um mindestens 50% bis 2030 gegenüber 2017 und bis spätestens 2050 in Richtung Netto-Null reduziert werden sollen. Der Löwenanteil des SNB-Klimafussabdrucks steckt jedoch nicht in den betriebsinternen Emissionen, sondern in den durch das riesige Anlageportfolio finanzierten Emissionen.
Bei der Berechnung der finanzierten Treibhausgas-Emissionen im Devisenportfolio (im Folgenden als ‘Emissionen’ bezeichnet) bezieht sich die SNB auf die Task Force on climate-related financial disclosures (TCFD) sowie auf das von dieser empfohlenen GHG Protocols. Anders als von TCFD/GHG-Protocol empfohlen, schliesst die SNB jedoch Scope 3 Emissionen bei der Berechnung ihrer finanzierten Emissionen aus, obwohl diese mit Abstand den wichtigsten Teil der finanzierten Emissionen des SNB Aktienportfolios ausmachen und jene der Scope 1 und 2 Emissionen deutlich übersteigen.
Sie begründet das Weglassen der Scope 3 Emissionen damit, dass die Abdeckung vieler der verfügbaren Scope-3-Daten von Unternehmen im Portfolio mangelhaft sowie die Datenqualität noch unzureichend sei. Sowohl die begrenzte Datenverfügbarkeit wie auch deren Qualität ist zwar eine Realität, doch ist das schlichte Ignorieren entsprechender Emissionen gerade beim Investmentansatz der SNB (passive Bewirtschaftung breiter Marktindizes von Industrie- und Schwellenländern) ist inakzeptabel. Scope 3 Emissionen können rund 80% der Gesamtemissionen von breiten Marktindizes ausmachen.
Alleine die 10 grössten Unternehmen mit bedeutender fossiler Infrastruktur im SNB-Aktienportfolio machen mit rund 12 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente noch immer mehr aus, als die von der SNB als “Total Carbon Emissions” ausgewiesenen finanzierten CO2-Emissionen von 10.2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Besonders problematisch ist schliesslich der von der SNB gewählte Ansatz deshalb, weil sie zwar in der Methodik auf die Begrenzung auf Scope 1 und 2 Emissionen hinweist, in der entscheidenden Grafik auf S. 65 des Nachhaltigkeitsberichts 2023 dies aber nicht mehr nennt und ausschliesslich von ‘Total Carbon Emissions’ spricht. Zählt man die Scope 3 Emissionen des gesamten SNB-Aktienportfolios zusammen, kommt man auf rund 41.7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Die SNB gibt ihre finanzierten Emissionen also geschätzt um den Faktor 4 zu tief an und ignoriert damit den wichtigsten Teil ihrer finanzierten Emissionen.
Risiko Management
Im Nachhaltigkeitsbericht argumentiert die SNB, dass sich Klimarisiken nicht von anderen finanziellen Risiken unterscheiden lassen. Daher lässt sich ihre “business as usual” Risiko Strategie ableiten. Klima(natur)bezogene Risiken lassen sich zwar in die traditionellen finanziellen Risikokategorien (Kredit-, Liquiditäts-, Marktrisiko usw.) einordnen, werden aber immer noch unterbewertet, da der damit verbundene finanzielle Schaden in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Risiko steht. So zeigen einige Studien, dass über physische Risiken weniger berichtet wird und diese daher auch weniger in die Bewertung von Investitionen einfliessen. In ähnlicher Weise ergab eine IWF-Studie, in welcher die Börsendaten aus 68 verschiedenen Volkswirtschaften ausgewertet wurden, dass sich physische Risiken nur unzureichend auf die weltweiten Aktienbewertungen auswirken. Darüber hinaus hat eine Studie der BIZ die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Information, Modellierung und Messung klimabezogener Risiken hervorgehoben, die dazu führen, dass klimabezogene Risiken im Risikomanagement und in den Entscheidungsprozessen der Anleger unterbewertet werden. Wenn man davon ausgeht, dass die Märkte über perfekte Informationen verfügen und dass herkömmliche Risikomanagementprozesse bereits ausreichend kalibriert sind, um solche Risikodynamiken zu erfassen, verzögert man die notwendigen Massnahmen und häuft weitere Risiken an. Zudem sind Klima- und naturbezogene Risiken durch radikale Ungewissheit, Rückkopplungseffekte und Kipppunkt-Dynamik gekennzeichnet. Aus diesen Gründen ist es notwendig, dass die SNB in ihrem Risiko-Management einen vorsorglichen Ansatz verfolgt.
Unsere Empfehlungen an die SNB für den nächsten Nachhaltigkeitsbericht 2024
- Es braucht eine öffentlich nachvollziehbare Klimastrategie mit Klima- und Umweltzielen und einen Transitionsplan (inkl. Massnahmen) für die ganze SNB, nicht nur bezogen auf ihre betrieblichen Emissionen7. Dazu sollte die SNB jährlich wissenschaftsbasierte Ziele kommunizieren und die Fortschritte bei der Ausrichtung ihrer Devisenreserven auf die globalen Klima- und Biodiversitätsziele messen und offenlegen.
- Es braucht eine Offenlegung der Anlagestrategie für das Devisenportfolio mit allen Massnahmen, die Teil der Eskalationsstrategie sind (Engagement, Abstimmung, Desinvestition usw.). Auch die detaillierten Grundsätze und Regeln für die Auswahl der zulässigen Vermögenswerte, die in das Devisenportfolio aufgenommen werden, sollten öffentlich zugänglich sein.
- Es braucht zudem eine Offenlegung dazu, wie klimabedingte (naturbezogene) Finanzrisiken im Risiko Management eingepreist werden und welche Massnahmen ergriffen werden, um ein aktives Risiko Management zu erzielen.
- Es braucht eine Offenlegung von Scope 3 Emissionen im Devisenportfolio zu mindestens folgenden Sektoren, wie per TCFD/GHG Protocol vorgesehen:
- Mindestens Energie (Öl und Gas), mining (NACE L2: 05-09, 19, 20), Transport, Bau, Gebäude, Materialien, und industrielle Tätigkeiten (NACE L2: 10-18, 21-33, 41-43, 49-53, 81)
- Scope 3 Emissionen können separat zu Scope 1-2 Emissionen offengelegt werden.
- Die SNB sollte ihre Aktionärsrechte mit folgenden Massnahmen ausüben, insbesondere ausserhalb Europas:
- Mit robusten Stewardship-Massnahmen sollte sichergestellt werden, dass Unternehmen, in welche die SNB investiert, ihre Geschäftsmodelle mit den internationalen Klima- und Biodiversitätszielen in Einklang bringen und wissenschaftlich fundierte und zeitgebundene Transitionspläne entwickeln.
- Unternehmen, in welche die SNB investiert, die keine glaubwürdigen Transitionspläne vorweisen können und welche weiterhin die Klimakrise anheizen, die Umwelt schädigen oder Menschenrechte verletzen, sollten einer robusten und umfassenden Eskalationsstrategie unterworfen werden. Diese Strategie sollte zunächst eine Abstimmung gegen die Leitung des Unternehmens beinhalten, gefolgt von einer Desinvestition, wenn nicht rechtzeitig ausreichende Fortschritte erzielt werden.
- Nicht zuletzt braucht es eine Kommunikation dazu, ob und wie die SNB mit der FINMA und dem Finanzdepartement zusammenarbeitet, um notwendige regulatorische Massnahmen für einen zukunftsfähigen Finanzplatz unter Berücksichtigung von Klima- und Naturrisiken voranzutreiben. Wir empfehlen folgende Massnahmen:
- Makroprudenzieller Stresstest für Risiken im Zusammenhang mit dem Klima und dem Verlust an Biodiversität (unter Verwendung von Szenarien, die auf den schlimmsten angenommenen Szenarien basieren) und jährliche Veröffentlichung der Ergebnisse.
- Jährliche Offenlegung der Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität sowie der klima- und biodiversitätsbedingten finanziellen Risiken durch alle Schweizer Finanzinstitute.
- Anpassung der Eigenkapitalanforderungen, um Klima- und Biodiversitätsrisiken in der mikro- und makroprudenziellen Regulierung zu berücksichtigen. Damit dies im ausreichenden Mass geschieht, ist eine vollständige («one for one») Kapitaldeckung für Kredite und Versicherungen für Investitionen in Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen erforderlich.
- Die SNB und die FINMA betrachten Investitionen in Öl, Gas, Kohle und Abholzung als nicht liquide und nicht stabil.
- Regelmässige Messung der Fortschritte bei der Anpassung an das Pariser Abkommen und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Falls keine Angleichung erfolgt, sind weitere Massnahmen zu ergreifen.
- siehe https://www.bis.org/publ/othp31.htm ↩︎
- “die Zielsetzung der SNB in Bezug auf die geldpolitischen Aufgaben ergibt sich abschliessend aus dem Nationalbankgesetz, weshalb die SNB bei der Umsetzung der Bestimmungen das Setzen von Klimazielen für die Anlagen ausgenommen hat.” ↩︎
- siehe bspw. Climate and nature plan 2024-2025: https://www.ecb.europa.eu/ecb/climate/our-climate-and-nature-plan/html/index.en.html ↩︎
- https://www.inspiregreenfinance.org/programmes/biodiversity-and-financial-stability/ und siehe https://www.ngfs.net/sites/default/files/media/2021/06/17/ngfs_monetary_policy_operations_final.pdf ↩︎
- Vgl. dazu unsere Empfehlungen am Ende dieses Textes, unsere Forderungen unter https://unsere-snb.ch/forderungen/ueberblick/ sowie das Beispiel des EZB “Climate and nature plan 2024-2025” in Fussnote 3. ↩︎
- SNB Nachhaltigkeitsbericht 2023: https://www.snb.ch/de/publications/sustainability-report/2024/sustrep_2023 S. 58 ↩︎
- Die Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange verlangt gemäss Art. 3, Abs. 4 lit. a und b quantitative CO2-Ziele, gegebenenfalls Ziele betreffend weiterer Treibhausgase und die Angabe sämtlicher Treibhausgasemissionen. ↩︎