SNB-Koalition 25. September 2023

Sicherheitenrahmen der SNB ignoriert ökologische Krisen

Der Bericht “How SNB’s collateral framework is contributing to a hotter world” analysiert die Zulassungskriterien des SNB-Sicherheitenrahmens für repofähige Effekten.1 Zu diesem Zweck wird das Verzeichnis der SNB-repofähigen Effekten (SNB GC Basket) untersucht, in dem alle Vermögenswerte aufgeführt sind, die derzeit von den Banken im Austausch gegen Liquidität als Sicherheiten hinterlegt werden können und somit von der SNB als liquide und hochwertige Vermögenswerte betrachtet werden. Die Analyse zeigt, dass mehrere Vermögenswerte von der SNB als Sicherheiten akzeptiert werden, obwohl sie aufgrund der Klimakrise und des Verlusts der Biodiversität ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen. Sie zeigt insgesamt das Versagen und die mangelnde Bereitschaft der SNB, die wachsenden Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise in ihr Risikomanagement einzubeziehen. Angesichts des von der Stimmbevölkerung angenommenen Klimaschutzgesetzes vom 18. Juni 2023 muss nun auch die SNB die Klimawirkung ihrer Finanzflüsse möglichst rasch vermindern.

Das Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System (NGFS), ein Zusammenschluss mehrerer Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden, anerkennt, dass die Auswirkungen der ökologischen Zerstörung auch finanzielle Risiken darstellen. Die SNB ist seit 2019 Teil des NGFS. Das NGFS hat gewisse Leitplanken zur Verwendung von Sicherheiten (repofähigen Effekten) gegeben2: Diese sollten unter anderem Klima- und Biodiversitätsrisiken in die Risikoabschätzung miteinbeziehen, Risiken vermindern und im Rahmen des bestehenden Mandats den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft unterstützen. 

Die Zentralbanken verfügen über zahlreiche Instrumente zur Umsetzung ihrer geldpolitischen Ziele. Dazu gehören unter anderem die gezielten Refinanzierungslinien, die Repo- und Swap-Linien. All diesen Instrumenten liegt ein Sicherheitenrahmen (Collateral Framework) zugrunde, der die Vermögenswerte festlegt, die die Banken der SNB verpfänden können, um sofortige Liquidität zu erhalten. Diese Sicherheiten dienen als Versicherung für die SNB, falls eine Bank nicht in der Lage ist, einen Kredit zurückzuzahlen. Der Sicherheitenrahmen hat für die Finanzmarktteilnehmer eine zentrale Signalfunktion, welche Vermögenswerte als besonders sicher gelten.

Im Falle der SNB ist das Devisenportfolio, neben der Festlegung der Zinssätze, immer noch das wichtigste Instrument zur Umsetzung der geldpolitischen Ziele. Es ist jedoch nicht das einzige Instrument. Da die Repo-Geschäfte wieder an Bedeutung zu gewinnen scheinen, wird der Sicherheitenrahmen wichtiger. Seit die Zinssätze ab 2022 steigen, baut die SNB das Devisenportfolio ab und die Finanzinstitute benötigen mehr Liquidität.

Die Zulassungskriterien für Sicherheiten können den Wert eines Vermögenswerts beeinflussen, da sie den Märkten ein geringes Risiko und eine hohe Liquidität signalisieren. Auf diese Weise kann die Finanzierung von Unternehmen, die notenbankfähige Sicherheiten ausgeben, verbessert werden. Die SNB akzeptiert viele Effekten als Sicherheit, die von Unternehmen ausgegeben werden, welche die Klimakrise und den Verlust der biologischen Vielfalt verschärfen und von dieser Sicherheitenprämie profitieren. Damit unterstützt sie die wachsende Klimakrise anstatt die von der Bevölkerung abgesegneten Klimaziele.

Angesichts des am 18. Juni von der Schweizer Stimmbevölkerung angenommenen Klimaschutzgesetzes (KIG), muss auch die SNB die Handhabung ihres Sicherheitenrahmens anpassen.  Art. 9 Abs. 1 KIG hält fest, dass der Finanzplatz seinen Beitrag zur Emissionsminderung leisten muss. Zum Finanzplatz und seinen Akteur:innen gehört auch die SNB.

Methodik

Für die Umweltanalyse des Sicherheitenrahmens der SNB wurde eine zweistufige Methode angewandt. Erstens wurde das Merkblatt der SNB über die für SNB-Repos zugelassenen Sicherheiten geprüft. Zweitens wurde der SNB GC Basket (Verzeichnis der SNB-repofähigen Effekten) analysiert, da dieser die Vermögenswerte repräsentiert, die gemäss Merkblatt über die SNB-repofähigen Sicherheiten als qualitativ hochwertige, liquide Vermögenswerte gelten.3 Der SNB GC Basket wurde so gefiltert, dass nur die Emittenten sichtbar waren. Von diesen 198 Emittenten stammen 127 von souveränen Staaten/Regionen oder Unternehmen. Diese wurden mit den Ergebnissen von elf Umweltanalysen von NGOs und Think Tanks abgeglichen. Auf der Grundlage dieser Analyse wurden sechs Fallstudien (zu kanadische Banken, Shell, Staatsanleihen, Bundesstaatsanleihen, Entwaldung sowie Nestlé und Novartis) ausgewählt, die sich auf Fälle mit besonderer Umweltrelevanz oder von besonderem Interesse konzentrierten. 

Resultate und Schlussfolgerungen

Insgesamt zeigt die Umweltanalyse des SNB-Sicherheitsrahmens das Versagen und die mangelnde Bereitschaft der SNB, die wachsenden Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise in ihr Risikomanagement einzubeziehen. Das Ignorieren dieser Risiken gefährdet die wirtschaftliche Stabilität und ihren geordneten Übergang zu einer klimapositiven Wirtschaft, sowie unser aller Zukunft auf lange Sicht. Ausserdem widerspricht diese Haltung dem Auftrag der Nationalbank, die Preis- und Finanzstabilität zu gewährleisten. Die vorherrschende Politik der Nationalbank steht im Widerspruch zu ihrem eigenen Ziel, die Kreditrisikostandards aufrechtzuerhalten, um die Umsetzung der Geldpolitik zu gewährleisten, und widerspricht dem Mandat, Stabilitätsrisiken zu minimieren.
 

Die Analyse des SNB GC Basket zeigt auch, dass der Sicherheitenrahmen der SNB nicht den Vorgaben entspricht, welche sie im Merkblatt für SNB-repofähige Effekten festgelegt hat – dies ist ein Konsistenzproblem an sich.Das gleiche Problem gilt für die Anlagerichtlinien der Bank, die vorsehen, dass nicht in Vermögenswerte von Firmen investiert werden soll, die «systematisch schwere Umweltschäden» verursachen. Wie eine Recherche der Klima-Allianz aufzeigt, befindet sich eine Reihe von Vermögenswerten von Firmen im Devisenportfolio, welche schwerwiegende Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen verursachen.5

Klima-, Biodiversitäts-, oder Abholzungsaspekte sind nicht ausdrücklich in den Zulassungskriterien enthalten, die im Merkblatt der SNB zu den für SNB-Repos zugelassenen Effekten genannt werden. Diese werden nicht als finanzielle Risiken betrachtet, da Unternehmen wie Shell, mehrere kanadische Banken oder vier kanadische Staatsanleihen aus Teersand produzierenden Regionen als repofähige Effekten zugelassen sind. Diese gehören nach allgemeiner Auffassung zu den Emittenten mit den schlechtesten Umweltbilanzen. Die schwedische Reichsbank zum Beispiel hat sich von den vier kanadischen und zwei australischen Regionen aufgrund ihrer sehr hohen CO2-Emissionen getrennt.6

Es besteht ein Mangel an Kohärenz zwischen den Zulassungskriterien, die im Merkblatt der SNB zu den für SNB-Repos zugelassenen Effekten genannt werden, und der relativ geringen Anzahl von Vermögenswerten, die derzeit als Sicherheiten für einen Kredit der SNB hinterlegt werden (2777 Anleihen von 198 Emittenten). Die Kriterien sind weit gefasst und würden es erlauben, eine viel breitere Palette von Vermögenswerten als Sicherheiten zu berücksichtigen.

Der GC Basket der SNB weist einen klaren «Carbon-Bias», eine Verzerrung zu kohlenstoffintensiven Vermögenswerten, auf. Dieser führt dazu, dass Emittenten, die das Klima und die Biodiversität stark schädigen, weiterhin günstige Kreditkonditionen erhalten (z.B. niedrigere Kapitalkosten). Auf diese Weise sendet die SNB ein klares Marktsignal an die Finanzakteur:innen, das besagt, dass eine negative Umweltleistung kein finanzielles Risiko darstellt (entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen). Sie reproduziert damit den emmissionsreichen Status quo der Wirtschaft und betreibt dadurch Strukturerhaltungspolitik. Nicht zuletzt werden damit die Übergangsrisiken erhöht.

Empfehlungen der SNB-Koalition

Um die SNB-interne Kohärenz zu verbessern, den fossilen Bias zu reduzieren und das neue Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz zu berücksichtigen, bietet sich eine zeitnahe Überarbeitung des Sicherheitsrahmens an. Wir empfehlen der SNB folgende Massnahmen:

  • Aufnahme von Klima-, Biodiversitäts- und Abholzungsaspekten in die Zulassungskriterien, die im Merkblatt der SNB zu den für SNB-Repos zugelassenen Sicherheiten genannt werden. Dies wäre Bestandteil eines guten Risikomanagements. 
  • Aufnahme einer Ausschlussliste der emittierenden Unternehmen und Länder/Regionen in das Merkblatt der SNB zu den für SNB-Repos zugelassenen Sicherheiten. Basierend auf unserer Analyse des SNB GC Basket sollten die Vermögenswerte von Shell, der kanadischen Banken und der vier kanadischen Regionen aufgrund ihrer hohen finanziellen Risiken als nicht investierbar betrachtet werden. 
  • Überprüfung der Risikoabschläge (haircuts) von repo-fähigen Effekten unter Berücksichtigung der Klima-, Biodiversitäts -und Entwaldungsperformance der Emittenten.
  • Zusammenarbeit mit dem NGFS und anderen Zentralbanken bei der Festlegung eines umweltfreundlichen Sicherheitenrahmens.
  • Aktive Unterstützung des Ziels der Schweizerischen Eidgenossenschaft gemäss dem neuen Klimaschutz-Bundesgesetz, Art. 1 lit. c KIG, Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung auszurichten. 

Weiterführende Informationen

Quellen und Referenzen: