Jonas Kampus 20. Dezember 2023

WWF-Bericht: Schweizerische Nationalbank hinkt beim Klimaschutz hinterher

Eine intakte Natur und die Stabilität des Finanzsystems gehen Hand in Hand. Trotzdem bleiben weltweit viele Zentralbanken und Aufsichtsbehörden deutlich unter dem Notwendigen, um die Umwelt zu schützen, zeigt der WWF-SUSREG-Report 2023. Die Schweiz verzeichnet insgesamt zwar kleine Fortschritte, doch die Nationalbank tritt weiter auf der Stelle.

  • Durch Kreditvergabe, Versicherungen und Investitionen in umweltschädliche Aktivitäten wie die Gewinnung von Kohle, Öl und Gas verschärft der Finanzsektor die Klima- und Biodiversitätskrise.
  • Trotz einiger Verbesserungen beziehen 68 Prozent der grossen Volkswirtschaften Umwelt- und Sozialrisiken nicht ausreichend in ihre geldpolitischen Aktivitäten ein.
  • Nur 18 Prozent der Zentralbanken weisen Fortschritte in der Berücksichtigung von Klimarisiken in ihrer Geldpolitik auf.
  • Dank des Klimaschutzgesetzes und neuer Anforderungen an die Offenlegung von Klimarisiken konnte sich der Schweizer Finanzplatz zwar im Jahresvergleich etwas verbessern. Die Nationalbank hingegen ignoriert Umwelt- und Klimaaspekte in ihrer Geldpolitik weiterhin und hinkt hinterher.
  • Der WWF empfiehlt Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, Übergangspläne zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft zu erarbeiten und umzusetzen.

Zitat von Maud Abdelli, Expertin für Sustainable Finance beim WWF Schweiz: «Die Finanzbranche verschwendet ihr Potenzial für eine umweltfreundlichere Wirtschaft und schiesst sich ins eigene Bein. Das muss sich endlich ändern: Zentralbanken und Aufsichtsbehörden müssen ihren Worten Taten folgen lassen, Mindestanforderungen für Sozial- und Umweltkriterien einführen und den Finanzsektor damit auf den richtigen Weg lenken.»

Nach wie vor fliessen jedes Jahr Billionen in Form von Krediten, Investitionen oder Versicherungen in klima- und umweltschädliche Aktivitäten wie die Gewinnung fossiler Energien, die Zerstörung der Wälder oder den Bergbau. Damit verschärft der Finanzsektor die Klima- und Biodiversitätskrise, anstatt zur dringend nötigen grünen Transformation der Wirtschaft beizutragen. Gleichzeitig bergen die Folgen der Krisen grosse finanzielle Risiken, sei es beispielsweise durch Naturkatastrophen oder längerfristig durch anhaltende Dürreperioden und damit verbundene Schäden. Das bedroht nicht zuletzt auch die Stabilität des Finanzsystems.

Trotzdem berücksichtigen insbesondere die grossen Volkswirtschaften der Welt weiterhin kaum Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Geldpolitik. Das zeigt der neue WWF-Bericht über «Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities» (SUSREG-Report 2023), der heute veröffentlicht wurde. Zwar gibt es vereinzelt Fortschritte. So müssen Finanzinstitute in verschiedenen Ländern zunehmend mittels konkreter Übergangspläne aufzeigen, wie sie ihr Kerngeschäft klimaverträglich ausgestalten wollen. Dazu haben vereinzelt Staaten begonnen, auch Kriterien zum Schutz und zur Wiederherstellung der Biodiversität in die Finanzaufsicht aufzunehmen.

Allerdings haben 68 Prozent der einkommensstarken Länder noch immer keine angemessenen klima- und umweltpolitischen Massnahmen in ihrer Bankenaufsicht und lediglich 18 Prozent der Zentralbanken weisen Fortschritte in der Berücksichtigung von Klimarisiken in ihrer Geldpolitik auf.

FINMA zeigt Fortschritte – SNB bleibt stehen

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz haben sich die politischen Rahmenbedingungen für einen nachhaltigeren Schweizer Finanzplatz leicht verbessert. So sieht das Gesetz eine «Ausrichtung der Finanzmittelflüsse auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung» vor. Und dank einer neuen Verordnung müssen grosse Finanzinstitute ab 2024 die Risiken des Klimawandels auf ihre Tätigkeiten wie auch ihre Auswirkungen auf den Klimawandel offenlegen.

Die Schweizerische Nationalbank hingegen hält sich weiterhin bedeckt, ob und wie sie klima- und umweltbezogene Risiken in ihre Geldpolitik integrieren will. Das wirkt sich auch auf den globalen Markt aus. Schliesslich verfügt die Schweiz trotz ihrer überschaubaren Grösse über die drittmeisten Währungsreserven weltweit.

Die SNB darf sich deshalb nicht hinter dem Schleier der «Unabhängigkeit» verstecken, sondern muss ein aktiveres Management von klima- und naturbezogenen Risiken betreiben, wenn sie ihr Mandat zur Preis- und Finanzstabilität langfristig erfüllen will. In anderen Ländern, darunter Schweden und Singapur, sind die Zentralbanken mit vergleichbaren Mandaten deutlich weiter, wie der SUSREG-Report zeigt.

Empfehlungen für Zentralbanken und Aufsichtsbehörden

  • Die eigenen Übergangspläne zu einer umweltfreundlichen Wirtschaft veröffentlichen und umsetzen. Die Pläne sollen transparent und messbar sein.
  • Einen vorsorglichen Ansatz anwenden. Anstatt auf perfekte Daten zu warten, müssen die verantwortlichen Behörden angesichts der Umweltbedrohungen vorsorglich Massnahmen ergreifen.
  • Geldpolitik auf Umwelt- und Sozialrisiken ausrichten und die schädlichsten Aktivitäten schrittweise aus dem Portfolio entfernen, die langfristig nicht mit einer nachhaltigen Wirtschaft kompatibel sind.
  • Höhere Eigenkapitalanforderungen an Finanzinstitute stellen, die durch Kreditvergabe, Investitionen oder Versicherung besonders umweltschädliche Aktivitäten von Unternehmen ermöglichen.