Lilian Schibli 6. Mai 2025

Klimawandel – keine Priorität für die SNB

Blogpost zur SNB GV 2025 von Gabriela Neuhaus, Klima-Aktionärin der SNB.

Freitagmorgen, 25. April. Reise nach Bern, wo die Schweizerische Nationalbank SNB im Kursaal ihre Generalversammlung abhält. Wir gehören zu einer Gruppe von Aktionärinnen und Aktionären, die sich dafür einsetzt, dass die Nationalbank bei ihrer Anlagepolitik den Schutz von Klima und Biodiversität mitberücksichtigt. Konkret: Die SNB soll keine Aktien und Anleihen von Firmen in ihrem Portfolio halten, deren Geschäfte nachweislich die Umwelt schädigen.

Angesichts von Klimaerhitzung und Biodiversitätsverlust eine wichtige, dringende Forderung, die wir anlässlich der GV erneut vorbringen wollen. Eine Diskussion über das Thema hat die Spitze der SNB aber bereits im Vorfeld abgeschmettert: Wie schon im Vorjahr, weigerten sich Bankrat und Direktorium, die von über hundert Aktionärinnen und Aktionären unterzeichneten Anträge zu traktandieren, welche die Berücksichtigung von Klima- und Umweltkriterien in der Anlagepolitik der SNB fordern. 

Nach wie vor behauptet die SNB-Führung steif und fest, dass ihr gesetzlicher Auftrag PREISSTABILITÄT! heisse, und nichts anderes als PREISSTABILITÄT! Ein Begriff, der von Vertreter:innen des Bankrats und des Direktoriums an der Generalversammlung gleich dutzendfach wiederholt wird. Klimafragen, so die SNB-Spitze, hätten nichts mit der Erfüllung dieses Auftrags zu tun.

Wir erfahren vom SNB-Podium, dass man dort allen Ernstes glaubt, die Schweizer PREISSTABILITÄT! auch bei zunehmenden Naturkatastrophen wie ein Fels in der Braundung erhalten zu können – durch Wegschauen und Nichtstun.

Weiter wie bisher

Man anerkennt zwar, dass der Klimawandel ein wichtiges Problem sei und angegangen werden müsse, versteckt sich aber gleichzeitig hinter der Behauptung, dass der Hebel zur Umsetzung von Umweltanliegen anderswo grösser sei als bei der Nationalbank. 

Was dabei unter den Tisch gekehrt wird: Mit ihren Investitionen etwa in Gas- und Oel-Konzerne wie Exxon Mobil oder TotalEnergies* trägt die Nationalbank direkt zur weiteren Klimaerhitzung bei. Mehr noch: Laut Recherchen der Klima-Allianz enthält das Portfolio der SNB etliche Grosskonzerne, die mit fossiler Energie Gewinne erzielen und/oder nachweislich in Menschenrechtsverletzungen und Umweltskandale verwickelt sind.

Solche Investitionen stehen in krassem Widerspruch zu den eigenen Anlagerichtlinien der SNB, die verlangen: «Die SNB erwirbt keine Aktien oder Anleihen von Unternehmen, die in die Produktion international geächteter Waffen involviert sind, grundlegende Menschenrechte massiv verletzten oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen.»

Ob und wie die SNB diese Richtlinien umsetzt und deren Einhaltung kontrolliert, bleibt geheim. Nicht einmal an der Generalversammlung will man diesbezügliche Fragen der eigenen Aktionär:innen beantworten. Damit alles nach Programm und wie am SNB-Schnürchen abläuft, ist das Abwehr- und Sicherheitsdispositiv im und um den Kursaal herum gewaltig – und gewaltbereit.

Machtdemonstration GV

Das bekommen wir schon vor der eigentlichen Veranstaltung zu spüren: Auf öffentlichem Boden vor dem Kursaal werden wir 30 aus der ganzen Schweiz angereisten Klima-Aktionär:innen von Polizeikräften auf das gegenüberliegende Trottoir vertrieben. Statt unter dem schützenden Kursaal-Vordach, stehen wir während unserer kurzen friedlichen Kundgebung buchstäblich im Regen.

Der Zutritt zur GV ist streng bewacht: Sicherheitskontrolle mit Durchleuchtung von Handtasche und Gang durch den Detektorbogen. Sobald das geschafft ist, lässt man sich, gegen Vorweisen von ID und Zutrittskarte, an einem Desk das Stimmgerät aushändigen.

Geschafft! Zur Stärkung gibt’s Kaffee und Gebäck auf dem Weg in den Saal. Dort angekommen, einschreiben als Rednerin – der Platz wird mir von einer Security-Frau zugewiesen. Sie achtet streng darauf, dass all jene, die sich für ein Votum während der GV anmelden, sich auch in den für die Redner:innen vorgesehenen Sektor setzen. Rundherum finster schauendes Sicherheitspersonal, breitbeinig und mit Knopfhörer im Ohr.

Um 10.10 Uhr – mit zehn Minuten Verspätung, eröffnet dann Bankrats-Präsidentin Barbara Janom Steiner die 117. Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank.

Auf rätoromanisch eine kurze Begrüssung aller Anwesenden – danach ein spezielles Willkommen auf deutsch an die Vertreter:innen von Bankrat und Direktorium, die auf dem Podium sitzen. Dann zählt die Präsidentin ihre Bankrats-Kolleg:innen im Saal namentlich auf, freut sich über die «zahlreich anwesenden Finanzdirektor:innen der Kantone», begrüsst die Vertreter:innen vom Bund, die ehemaligen Bankratsmitglieder, die regionalen Beiräte der SNB sowie die Stimmrechtsvertreterin, den Revisor von KPMG und zwei Schulklassen aus Thun und Brig, die der GV als Gäste beiwohnen.

Ich höre und warte – warte vergebens: Eine spezielle Erwähnung der 368 im Saal anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre bleibt aus. Die Botschaft ist klar und unmissverständlich: Ich bin hier nur geduldet, und hätte eigentlich zuhause bleiben können. Frau Janom Steiner geht es in erster Linie um das institutionelle Aktionariat, das dem Bankrat und dem Direktorium später in corpore und ohne lästige Rückfragen mit fast 100 Prozent Zustimmung die Entlastung erteilen wird. Wir, die privaten Aktionär:innen sind bloss Publikum und für die SNB ganz offensichtlich eine Quantité négligeable.

So nimmt die GV ihren Lauf. Bankratspräsidentin Barbara Janom führt als eiserne Lady und Showmasterin durch den Vormittag. Das offen deklarierte Ziel: Die statuarischen Geschäfte sollen schlank und störungsfrei abgewickelt werden, damit man um 13 Uhr zum Stehbuffet schreiten kann.

In ihrer Präsidialrede kommt sie kurz auf unsere abgeschmetterten Anträge zu sprechen und wiederholt noch einmal ihre durchaus anfechtbare Begründung, weshalb man die Traktanden nicht zugelassen habe. Anschliessend erklärt SNB-Direktor Martin Schlegel in seiner Ansprache, weshalb die Anlagepolitik der SNB auf PREISSTABILITÄT! fokussiere und fokussieren müsse, und weshalb das Klima dabei nicht berücksichtigt werden könne.

Verletzt die SNB ihre eigenen Vorgaben?

Allerdings verkündet der gleiche Dr. Martin Schlegel im Lauf der GV dann auch: «Die SNB hat eine Ausschlusspolitik von Aktien. Wir basieren uns auf allgemein anerkannte Werte und Normen der Schweiz. Und wir halten keine Anteile von Unternehmen, die eben diese Werte verletzen. Die Werte sind: Die Verletzung von grundlegenden Menschenrechten, oder auch Firmen, die systematisch gravierende Umweltschäden verursachen; Firmen, die international geächtete Waffen herstellen oder auch Förderer von thermischer Kohle.»

Bekanntlich hat die SNB in ihrem Portfolio aber Aktien von Konzernen, die diesen Kriterien nicht standhalten, weil sie tatsächlich gravierende Umweltschäden verursachen und Menschenrechte verletzen, indem sie Erdöl fördern oder am Kahlschlag der Amazonaswälder beteiligt sind. Da stellt sich die Frage: Kennt der Bank-Chef sein Portfolio nicht, oder nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau? Darauf gibt die Generalversammlung keine Antwort.

Wie sehr so eine GV eine pseudo-demokratische Veranstaltung ist, wird insbesondere auch bei den Abstimmungen deutlich: Ob die Genehmigung des Finanzberichts, die Festsetzung der Dividende oder die Entlastung des Bankrats: Praktisch alle Geschäfte erhalten eine Zustimmung von über 95 Prozent.

Diskussion findet keine statt. Die Voten der Aktionär:innen sind auf drei Minuten beschränkt und werden nicht einzeln beantwortet. Launig kommentiert Janom Steiner die eine oder andere Aussage: Man nehme dies zur Kenntnis, könne jenes leider nicht ändern, man würde ja gerne, aber, aber, aber…

Die zahlreichen Wortmeldungen mit Bezug auf Klima und Biodiversität werden zum Schluss pauschal von SNB-Direktor Schlegel erledigt, mit einer offensichtlich vorbereiteten, vom Teleprompter abgelesenen Antwort. Wenig überraschend fasst er dabei noch einmal zusammen, weshalb sich die SNB in ihrer Anlagepolitik keine Umweltkriterien auferlegen will und betont erneut, dass das gesetzliche Mandat der SNB die Gewährleistung der PREISSTABILITÄT! sei, und dass dies der ausschliessliche Beitrag der SNB an eine nachhaltige Entwicklung sein könne.

Auf verschiedene konkrete Punkte geht Schlegel nicht ein, so auch nicht auf meine Frage betreffend die mangelnde Transparenz der SNB-Berichterstattung in Bezug auf Umwelt und Biodiversität, womit sie meines Erachtens gegen internationale Verträge verstösst.

Das Angebot

Doch völlig unerwartet, lässt der Nationalbankdirektor zum Schluss dann doch noch eine kleine Katz aus dem Sack: Er betont, die SNB würde ihr «Aktienuniversum von mehreren 1000 Aktien» nach bestem Wissen und Gewissen dahingehend prüfen, dass es den in den SNB-Richtlinien aufgeführten Anforderungen entspreche und schliesst seine Ausführungen mit den Worten: «Wir sind allerdings auch offen für Anregungen. – Wenn Sie Firmen wissen, von denen Sie denken, sie sollten nicht bei uns im Anlageuniversum sein, dann können Sie sich gerne an uns richten, und wir werden das gerne natürlich auch prüfen.»

Dann ist Schluss. Wir verlassen den Saal unter Beobachtung und Begleitung von zahlreichen Bodyguards mit Knopfhörer im Ohr. Die brennende Frage im Gespräch mit unseren Mitaktionär:innen im Foyer: Wie gross ist die Offenheit für Anregungen tatsächlich? Und wird die SNB solche Prüfungsergebnisse 2026 (oder schon vorher) veröffentlichen?

Die Skepsis bleibt gross. Die Erkenntnis aus der heutigen GV: Die einzige Sprache, die Bankratspräsidentin Janom Steiner und ihre Leute verstehen, ist die juristische. Wenn es nicht anders geht, muss die SNB auf diesem Weg dazu gebracht werden, sich an ihre Verpflichtungen zu halten.


*Der Energiekonzern TotalEnergies rühmt sich auf seiner Website, seine CO2-Emissionen bis 2050 auf NettoNull zu reduzieren – und feierte am 21. April die Eröffnung eines neuen Offshore-Oelfelds in den USA.