Regulierung
Forderung 3:
Regulierung des Schweizer Finanzsystems
Die SNB arbeitet mit der FINMA und den politischen Entscheidungsträger:innen zusammen, um alle notwendigen regulatorischen Massnahmen zu ergreifen, die den Schweizer Finanzplatz so auszurichten, dass er proaktiv und effektiv dazu beiträgt…
- …die Treibhausgas-Emissionen in der Realwirtschaft bis 2025 um mindestens 50% und bis 2030 um mindestens 70% zu reduzieren und bis 2040 auf Netto-Null zu senken.
- …die Biodiversität bis 2050 vollständig wiederherzustellen.¹
Führt eine strengere Regulierung zu einem Wettbewerbsnachteil des Schweizer Finanzplatzes?
Im Gegenteil, eine einfache und nachvollziehbare Regulierung bringt in vielen Fällen sogar Wettbewerbsvorteile. Insbesondere mit Blick auf die ungelösten Krisen unserer Zeit ist Sicherheit ein wichtiges Attribut für den Verkauf von Finanzdienstleistungen. Und strenge Regeln für die Finanzierung von fossilen Investitionsprojekten bringen neben Sicherheit auch Vorteile im globalen Wettbewerb um die Führung im Bereich Sustainable Finance. Sie erhöhen vor allem die Glaubwürdigkeit und stärken demnach das Vertrauen. Das Vertrauen ist die wichtigste Währung im Finanzbereich.
Forderung 3A
Die SNB führt einen makroprudenziellen Klima- und Biodiversitätsstresstest auf der Grundlage des «Worst-Case-Szenarios» durch und macht alle Resultate öffentlich. Besonderes Augenmerk muss darauf gelegt werden, wie der Verlust der Biodiversität die Klimarisiken weiter erhöht. Dieser makroprudenzielle Stresstest sollte jedes Jahr wiederholt werden.
Erläuterung zu Forderung 3A
Weshalb macht die SNB Stresstests?
Um die finanzielle Stabilität des Schweizer Finanzsektors zu gewährleisten, führt die SNB derzeit Stresstests durch. Sie erstellt Modelle und analysiert, wie sich bestimmte Schocks auf Schweizer Banken und Versicherungen auswirken werden. Dies ist eine Folge der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 und soll dabei helfen sicherzustellen, dass insbesondere systemrelevante Institute ausreichend reguliert sind und im Falle eines Konkurses abgewickelt werden können, ohne einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu riskieren. Weshalb soll die SNB auch das Klima und die Biodiversität mit einbeziehen? Wie die globale Finanzkrise der Jahre 2007/2008 gefährden auch die Klimakrise und der Verlust der biologischen Vielfalt die Liquidität und Solvenz von Finanzmarktakteuren und damit die Stabilität des Finanzsystems. Diesen Risiken muss durch Klima- und Biodiversitätsstresstests Rechnung getragen, und auf der Basis ihrer Ergebnisse müssen Massnahmen zur Risikominimierung beschlossen werden.
Was bedeutet «Worst-Case-Szenario»?
Um einen Stress-Test durchzuführen, muss sich eine Zentralbank auf ein Klimamodell stützen. Basierend auf den Annahmen wie stark die Klimakrise zunehmen wird, oder wie stark die Temperatur steigt, wird die Zentralbank die Banken und Versicherungen in einem spezifischen Land analysieren und schauen, wie ihre Bilanzen auf diese Annahmen reagieren. Geht man davon aus, dass sich die Klimakrise langsam und graduell entwickelt, oder dass ein 2-Grad-Erwärmungs-Szenario nicht disruptiv für die Wirtschaft ist, kann dies die Stabilität der Banken und Versicherungen gefährden. Tatsächlich übertreffen seit Jahren die effektiven Klimadaten die Szenarien, welche von einem «worst-case» (schlimmsten Fall) ausgehen. Es ist demnach wichtig, dass die SNB die «Worst-Case-Szenarien» in Hinblick auf die Klimakrise und den Biodiversitätsverlust für ihre Stress-Tests braucht, da diese höchstwahrscheinlich am ehesten der Realität entsprechen.
Weshalb ist es wichtig, dass die SNB diese Resultate offenlegt?
Es ist zwingend erforderlich, dass die SNB offen legt, mit welchen Modellen sie die Klima- und Biodiversitätsrisiken und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft modelliert. Dies ist insofern von Bedeutung, als ein veraltetes Modell, wie beispielsweise das DynamicIntegrated Climate-Economy-Modell (DICE) von William Nordhaus in seiner ursprünglichenFormulierung (2018), aufgrund weltfremder Annahmen impliziert, dass die notwendigenMassnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase, um die Erderhitzung auf unter +2 Gradzu begrenzen, ökonomisch sinnlos seien. Denn die Kosten der Massnahmen seien höher alsdie Kosten, die durch eine Erhitzung um +2 Grad entstehen. Da die SNB ihre geld- undanlagepolitischen Entscheidungen in erster Linie auf ihre Makro-Modelle stützt, muss dieÖffentlichkeit wissen, welche Modelle sie einsetzt. Bei einem so wichtigen Thema wie derKlimakrise hat die SNB eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. DieÖfentlichkeit muss wissen, wie die Kosten-Nutzen-Analyse der SNB in Bezug auf dieReduzierung der Treibhausgasemissionen und die Begrenzung des Temperaturanstiegs fürdie unterschiedlichen Szenarien (+1.5 Grad, +2 Grad, +2.5 Grad, +3 Grad, +3.5 Grad, etc.)aussieht.
Positive Beispiele zu Forderung 3A
- Die EZB führte 2021 einen gesamtwirtschaftlichen Klimastresstest durch und startete 2022 einen Klimastresstest auf Bankenebene.
- Die Bank of England führte 2021 einen Klimastresstest für das britische Finanzsystem durch.
- Klimastresstests sind auch von der Fed (Zentralbank der USA) geplant.
Forderung 3B
Bis 2022 arbeiten die SNB und die FINMA zusammen, um die Kriterien für die jährliche Offenlegung der Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität auf sowie für die klima- und biodiversitätsbedingten finanziellen Risiken für alle Schweizer Banken und Versicherungen zu definieren und die Erstellung vergleichbarer, verständlicher und zuverlässiger Informationen zu fördern.
Erläuterung zu Forderung 3B
Positive Beispiele zu Forderung 3B
- Die EZB überprüfte 2021 die Praktiken der europäischen Banken im Umgang mit Klimarisiken und gab ihre Bewertung bekannt: Keine europäische Bank erfüllt alle Kriterien für einen guten Umgang mit Klimarisiken.
- Die Bank of England führte eine Umfrage über die Wahrnehmung von Klimarisiken bei britischen Banken durch.
- Die südafrikanische Zentralbank führte ebenfalls eine Umfrage über die Auswirkungen von Klimarisiken bei den von ihr beaufsichtigten Banken durch.
Forderung 3C
Die Eigenkapitalanforderungen werden geändert, um Klima- und Biodiversitätsrisiken in der mikro- und makroprudenziellen Regulierung zu berücksichtigen. Damit dies im ausreichenden Mass geschieht, ist eine vollständige («one for one») Kapitaldeckung für Kredite und Versicherungen für Investitionen in Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen erforderlich. Die Einhaltung der neuen Richtlinien wird quartalsweise kontrolliert, die Resultate der Kontrollen werden öffentlich kommuniziert und Verfehlungen streng sanktioniert.
Erläuterung zu Forderung 3C
Positive Beispiele zu Forderung 3C
- Die EZB deutet die Anhebung der Eigenkapitalanforderungen im Jahre 2022 an.
- Die Bank of England erklärte 2021: «In dem Masse, wie der Klimawandel Teil des zentralen Aufsichtsansatzes wird, sollten die Unternehmen erwarten, dass sie ein effektives Management klimabezogener finanzieller Risiken durch regelmässige aufsichtliche Befassung und Überprüfungen nachweisen.Bei unzureichenden Fortschritten wird die PRA(Prudential Regulation Authority) klare Pläne verlangen und gegebenenfalls die Ausübung ihrer Befugnisse und die Nutzung ihres umfassenderen Aufsichtsinstrumentariums in Betracht ziehen.Ab Anfang 2022 könnte dies zum Beispiel die Verwendung von risikomanagement – und governancebezogenen Kapitalskalen für Kapitalaufschläge beinhalten(…).»
- Der kanadische Superintendent of Financial Institutions hat angekündigt, dass kanadische Banken in den nächsten zehn Jahren ihr Kapital erhöhen müssen, um mögliche klimabedingte Verluste auffangen zu können.
Forderung 3D
Alle neuen Investitionen in Öl, Gas, Kohle und Abholzung werden als nicht liquide und hochriskant eingestuft.
Erläuterung zu Forderung 3D
Positive Beispiele zu Forderung 3D
- Die Europäische Zentralbank schlägt in ihrem Leitfaden vor, dass alle Banken und Versicherungen Umweltaspekte in die Liquiditätsbewertung einbeziehen sollten.
- siehe den Leitfaden zum effektiven Management von Klimarisiken der Bank of International Settlements (Basel Committee on Banking Supervision).
- Der kanadische Finanzaufseher (Superintendent of Financial Institutions of Canada) hat angekündigt, dass die kanadischen Banken in den nächsten zehn Jahren ihr Kapital erhöhen müssen, um mögliche klimabedingte Verluste auffangen zu können.
Forderung 3E
Wenn die globalen jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2025 nicht um 50 % gesunken sind, müssen die Kapital- und Liquiditätsanforderungen erneut geändert werden, um proaktiv und wirksam dazu beizutragen, dass die Treibhausgasemissionen der Realwirtschaft bis 2030 um mindestens 70 % gesenkt werden und bis 2040 Netto-Null sind und sich die biologische Vielfalt bis 2050 vollständig erholt.
Erläuterung zu Forderung 3E
Quellen und Referenzen:
[1] Begründungen für die Klima- und Biodiversitätsziele finden sich
unter”Hintergrundinformationen”.
[2] Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA (2021). FINMA konkretisiert
Transparenzpflichten zu Klimarisiken.
[3] Frank Elderson (2022). Full disclosure: coming to grips with an inconvenient truth. 14th
European Bank Institute Policy Webinar on the ECB’s supervisory approach on
climate-related and environmental risks.
[4] Julia Anna Bingler, Chiara Colesanti Senni und Pierre Monnin (2020). Climate Financial
Risks. Assessing Convergence, Exploring Diversity. Council on Economic Policies.
[5] Finance Watch (2021). The One-for-One Rule: A way for COP26 ambitions to manifest in
financial regulation.
[6] Auf Investopedia ist erklärt, was mit Cashflow und Einnahmen gemeint ist.